20.7.2023

Warum kotzt du?

In der Therapie wurde das Kotzen mit mir als selbstverletzendes Verhalten ein kategorisiert.

Warum ich es genau tue, habe ich bis heute nicht verstanden. Ich gehe davon aus, dass es ein Mix ist und viele Bedürfnisse bedient.

Ich kotze, um Anspannung abzubauen.

Ich kotze, um Gefühle zu betäuben.

Ich kotze, um Kontrolle zu haben.

Ich kotze, um mir weh zu tun.

Ich kotze, um mich zu bestrafen.

Ich kotze, um das Essen wieder los zu werden.

Lieber Erbrechen statt Zerbrechen

Fakt ist, dass ich natürlich dadurch auch immer Gewicht verlieren wollte, dürr sein wollte, krank aussehen wollte. Vielleicht also auch ein Hilfeschrei durch Erbrechen. Vorm Zerbrechen lieber Erbrechen oder so.

Ich habe mit 14 damit angefangen. In den „besten Jahren“ meiner Essstörung habe ich mit einem sehr effektiven Mix aus Anorexie und Bulimie gelebt, der es mir ermöglicht hat, bei 1.71 cm ein Gewicht von 50 kg über einen längeren Zeitraum zu halten.

Traummaße bzw. Standardmaße für weiblich gelesene Models, also.

Wie intensiv müssen wir alle manipuliert worden sein, um das als ein Schönheitsideal – und vor allem als das einzig wahre Schönheitsideal – zu empfinden?

Fighting Fatphobia

Ich hatte die Abscheu gegen alles was „größer“ war so tief verinnerlicht, habe die schlimmste und heftigste Fatphobia internalisiert, mit der ich heute, 36 Jahre später, noch kämpfe.

Ich schämte mich, mit 12 „größer“ zu werden, mit dem Einsetzen bestimmter Hormone auch das Ansetzen von Fett an meinen Beinen, Körper und Oberarmen zu erleben. Die Scham und das Unwohlsein mit mir selbst kamen aber nicht primär aus meiner Seele.

Wegen meinen Brüsten (die ein wenig schneller größer wurden, als der Rest meines Körpers) wurde ich oft gehänselt, nachgemacht und ausgelacht. Einmal stand ich mit ein paar anderen Kids in der Pause herum, es war mit 12/13 Jahren die Zeit, wo erste Liebschaften entstanden, viel Aufregung, Spannung. Ein Kind aus der Nachbarsklasse fragte seinen Kumpel, auf wen er denn so stehe, welchen „Typ“ er habe, der antwortete – wie aus der Pistole geschossen: „Auf jeden Fall nicht so eine Tonne, wie die da.“ Alle lachten, ich lachte verunsichert mit und starb innerlich tausend Tode. Wäre am liebsten im Boden versunken, es war unerträglich, dieses Gefühl, hässlich zu sein, unbeliebt und nicht liebenswert. Ich habe vieler solcher Anekdoten, viele ganz tief vergraben, suchen mich nur in Albträumen heim.

Solche Erlebnisse, vermischt mit einigen Kindsheitstraumata, die sich schlimm auf meinen Selbstwert ausübten, schürten in mir eine tiefe Angst und Abneigung davor, auch körperlich als unangenehm zu gelten. Da ich sonst als normschön durchgehe, war es immer meine größte Angst, wieder „größer“ zu werden, wie mit 12/13 Jahren, bevor mich meine Essstörung vor den Angriffen und Abwertungen anderer Heranwachsender „rettete“. Heute weiß ich, dass diese Angst und Panik reinste Fatphobia ist. Auch dafür schäme ich mich.

Es gibt so viele Gründe mich doof zu finden.

Das war also auch ein Antrieb zu kotzen, und allemal kein kleiner.

Warum nochmal bist du nicht frei?

Allerdings bediente das Ritual an sich, schnell so viele weitere Muster, wie bereits aufgezählt, dass ich auf die Frage nach dem Warum, die ich so richtig zum ersten Mal mit 32 Jahren in meinen Therapiesitzungen beantworten sollte, keine eindeutige Antwort wusste und bis heute nicht weiß.

Ich weiß nur, dass es manchmal so guttut und mich an anderen Malen so anekelt.

Dass ich mich dafür schäme und gleichzeitig ganz stolz auf mich bin.

Dass ich schon höllische Angst hatte daran zu sterben (Herz) aber auch fürchtete, ohne es nicht leben zu können.

Ich möchte es so gerne für immer hinter mir lassen und bin zugleich zutiefst besorgt, was dessen Platz einnehmen könnte.

Denn ganz ohne Kotzen leben, dafür bin ich doch zu schwach. Es ist eine Sucht. Eine, die ich immer wieder glaube, überwinden zu können und in der ich phasenweise so tief drinstecke, dass der Zwang mich zu ersticken droht, mir alle Freude am Leben zu nehmen droht und meine Gedanken so stark bestimmt, dass kein Platz für anderes mehr ist.

Bis letzten Sonntag war ich fast ein Jahr lang kotzfrei.

Ich weiß, ich weiß, sie sagen Heilen ist nicht linear. Aber es macht mich so müde, wirft mich immer wieder so zurück und gibt mir das Gefühl schwach zu sein. Schwach und eklig und nach 36 Jahren immer noch nicht frei.

In der Therapie wurde das Kotzen mit mir als selbstverletzendes Verhalten ein kategorisiert.

Warum ich es genau tue, habe ich bis heute nicht verstanden. Ich gehe davon aus, dass es ein Mix ist und viele Bedürfnisse bedient.

Ich kotze, um Anspannung abzubauen.

Ich kotze, um Gefühle zu betäuben.

Ich kotze, um Kontrolle zu haben.

Ich kotze, um mir weh zu tun.

Ich kotze, um mich zu bestrafen.

Ich kotze, um das Essen wieder los zu werden.

Lieber Erbrechen statt Zerbrechen

Fakt ist, dass ich natürlich dadurch auch immer Gewicht verlieren wollte, dürr sein wollte, krank aussehen wollte. Vielleicht also auch ein Hilfeschrei durch Erbrechen. Vorm Zerbrechen lieber Erbrechen oder so.

Ich habe mit 14 damit angefangen. In den „besten Jahren“ meiner Essstörung habe ich mit einem sehr effektiven Mix aus Anorexie und Bulimie gelebt, der es mir ermöglicht hat, bei 1.71 cm ein Gewicht von 50 kg über einen längeren Zeitraum zu halten.

Traummaße bzw. Standardmaße für weiblich gelesene Models, also.

Wie intensiv müssen wir alle manipuliert worden sein, um das als ein Schönheitsideal – und vor allem als das einzig wahre Schönheitsideal – zu empfinden?

Fighting Fatphobia

Ich hatte die Abscheu gegen alles was „größer“ war so tief verinnerlicht, habe die schlimmste und heftigste Fatphobia internalisiert, mit der ich heute, 36 Jahre später, noch kämpfe.

Ich schämte mich, mit 12 „größer“ zu werden, mit dem Einsetzen bestimmter Hormone auch das Ansetzen von Fett an meinen Beinen, Körper und Oberarmen zu erleben. Die Scham und das Unwohlsein mit mir selbst kamen aber nicht primär aus meiner Seele.

Wegen meinen Brüsten (die ein wenig schneller größer wurden, als der Rest meines Körpers) wurde ich oft gehänselt, nachgemacht und ausgelacht. Einmal stand ich mit ein paar anderen Kids in der Pause herum, es war mit 12/13 Jahren die Zeit, wo erste Liebschaften entstanden, viel Aufregung, Spannung. Ein Kind aus der Nachbarsklasse fragte seinen Kumpel, auf wen er denn so stehe, welchen „Typ“ er habe, der antwortete – wie aus der Pistole geschossen: „Auf jeden Fall nicht so eine Tonne, wie die da.“ Alle lachten, ich lachte verunsichert mit und starb innerlich tausend Tode. Wäre am liebsten im Boden versunken, es war unerträglich, dieses Gefühl, hässlich zu sein, unbeliebt und nicht liebenswert. Ich habe vieler solcher Anekdoten, viele ganz tief vergraben, suchen mich nur in Albträumen heim.

Solche Erlebnisse, vermischt mit einigen Kindsheitstraumata, die sich schlimm auf meinen Selbstwert ausübten, schürten in mir eine tiefe Angst und Abneigung davor, auch körperlich als unangenehm zu gelten. Da ich sonst als normschön durchgehe, war es immer meine größte Angst, wieder „größer“ zu werden, wie mit 12/13 Jahren, bevor mich meine Essstörung vor den Angriffen und Abwertungen anderer Heranwachsender „rettete“. Heute weiß ich, dass diese Angst und Panik reinste Fatphobia ist. Auch dafür schäme ich mich.

Es gibt so viele Gründe mich doof zu finden.

Das war also auch ein Antrieb zu kotzen, und allemal kein kleiner.

Warum nochmal bist du nicht frei?

Allerdings bediente das Ritual an sich, schnell so viele weitere Muster, wie bereits aufgezählt, dass ich auf die Frage nach dem Warum, die ich so richtig zum ersten Mal mit 32 Jahren in meinen Therapiesitzungen beantworten sollte, keine eindeutige Antwort wusste und bis heute nicht weiß.

Ich weiß nur, dass es manchmal so guttut und mich an anderen Malen so anekelt.

Dass ich mich dafür schäme und gleichzeitig ganz stolz auf mich bin.

Dass ich schon höllische Angst hatte daran zu sterben (Herz) aber auch fürchtete, ohne es nicht leben zu können.

Ich möchte es so gerne für immer hinter mir lassen und bin zugleich zutiefst besorgt, was dessen Platz einnehmen könnte.

Denn ganz ohne Kotzen leben, dafür bin ich doch zu schwach. Es ist eine Sucht. Eine, die ich immer wieder glaube, überwinden zu können und in der ich phasenweise so tief drinstecke, dass der Zwang mich zu ersticken droht, mir alle Freude am Leben zu nehmen droht und meine Gedanken so stark bestimmt, dass kein Platz für anderes mehr ist.

Bis letzten Sonntag war ich fast ein Jahr lang kotzfrei.

Ich weiß, ich weiß, sie sagen Heilen ist nicht linear. Aber es macht mich so müde, wirft mich immer wieder so zurück und gibt mir das Gefühl schwach zu sein. Schwach und eklig und nach 36 Jahren immer noch nicht frei.